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Saturday, January 29, 2011

Begegung mit Ernst Weiss

Mona Wollheim in diesem kurzen Büchlein beschreibt ihre Begegnung mit Ernst Weiss in Paris 1936-1940. Ernst Weiss natürlich ist einer meiner innig geliebten deutschen Exilliteraten der 1930er und 1940er Jahre, welchen ich kürzlich per Zufall entdeckt hatte.

Wollheim war als junge Deutsche, frisch verheiratet nach Paris emigriert, warum wird nicht direkt klar. Waren sie und ihr Mann jüdisch oder politisch engagiert? Ersteres lässt ein Kommentar über Kafkas Interesse an jüdischen Themen unwahrscheinlich erscheinen, dennoch waren sie wohl staatenlos. In Paris treffen sie mit Weiss zusammen (ich habe mich schon desöfteren gefragt, wie groß diese Exilgemeinde eigentlich war und ob sich dort letzten Endes alle mehr oder weniger kannten), der sie als literarisch interessierte Kulturbürger faszinierte und um den sie sich mehr und mehr kümmerte, schließlich sogar seine Sekretärin, Vertraute und Geliebte wird.

Leider ist Wollheim keine besonders gute Schriftstellerin, ihre damals selbst verfassten und zitierten Gedichte sind schmalzig und sonst nicht weiter der Rede wert. Sie lässt vieles aus, was ihren Ruf oder Moralvorstellungen beeinträchtigen könnte, so daß sie seine Geliebte war und wie das gelebte Dreierverhältnis zwischen ihrem Mann, ihr und Weiss sich entwickelte, und opfert dadurch vieles, was für den Leser aufschlussreich hätte seien können.

Das einzige Interessante für mich an diesem Büchlein (knapp 90 Seiten), war der Einblick in das tägliche Leben der Exildeutschen im Paris der 30er Jahre, welcher es bot. Außerdem die Erinnerung an die oft vergessene Tatsache, daß der Hauptteil der Vertriebenen ja keine großen Schriftsteller, Maler oder Philosophen waren, sondern uns heute vollkommen unbekannte Normal-(wenn auch wohl Kultur-)bürger.

Kaum empfehlenswert also, wenngleich meine Faszination mit der Exilliteratur anhält und - sehr indirekt - hier weitere Nahrung erhielt.

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