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Sunday, November 14, 2010

Der arme Verschwender

So langsam werde ich anscheinend zum Experten deutschsprachiger Exilliteratur, - Joseph Roth, Georg Glaser, Walter Mehring - jetzt also Ernst Weiss: Der arme Verschwender. Ähnlich wie bei Joseph Roth ist es fast unmöglich zu etablieren, welches nationale Prädikat man ihm eigentlich anhängen soll. Deutscher Muttersprache, im österreichisch-ungarischen Prag geboren, in den Zwischenkriegsjahren in Berlin lebend, als Jude flüchtete er 1933 über seine Heimatstadt nach Paris. Ein deutschsprachiger Autor also und ein schönes Beispiel der Unmöglichkeit simplifizierender nationaler Definitionen. Weiss beging tragischerweise am 14. Juni 1940, dem Tag des Einmarsches der deutschen Truppen in Paris, Selbstmord und verstarb einen Tag später.

Sein Roman aus den dreißiger Jahren befasst sich kaum mit den politischen Themen seiner Zeit, sondern eher mit dem Schwierigkeiten der vorhergehenden Jahre. Sein Protagonist, der arme Verschwender, ist ein junger Mann als Sohn eines erfolgreichen Arztes aufwachsend, welcher trotz aller Bemühungen es nicht schafft seine Familie zu stabilisieren und zum Erfolg zu kommen. Er leidet unter den Widrigkeiten seiner Zeit, dem Ersten Weltkrieg, den sozialen Normen, dem Egoismus seiner Zeitgenossen und dann der wirtschaftlichen Umstände der Nachkriegsjahre. Er ist in dieser Hinsicht Symbol einer Generation, welche es nicht schafft den wirtschaftlichen und sozialen Rang ihrer Vorfahren zu bewahren und kann herin mit dem Protagonisten von Roths Radetzkymarsch verglichen werden. Auch wenn Weiss also die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umstände seines Helden kaum detailliert schildert, zeigt er ihre harsche Natur alleine durch die Schilderungen seiner (Miß)erfolge auf.

Ein fesselnder Roman, den ich innerhalb zweier Tage verschlang und der mir ein weiteres Mal einerseits die Verkrustung des Habsburger Reiches vor dem 1. Weltkrieg aber andererseits die hohe Qualität seiner Schriftsteller bewies.

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