Helmut Schmidt hat, leider zum wiederholten Male und an prominenter Stelle sowie über einer ganzen Seite, in der Zeit die Möglichkeit eingeräumt bekommen seine Thesen über was in der Welt schief läuft zu verbreiten. Thema diesmal: Afghanistan. Abgesehen von seinem furchtbar selbstgerechten, ja angeberischen Ton („Ich habe [bereits!] im Juli 2008 in einem längeren Gespräch zu viert mit [...] Merkel, [...] Jung und [...] Schneiderhahn [Schmidt ist also immer noch relevant, gar wichtig!] die weitgehende Aussichtslosigkeit des inzwischen von Obama präsentierten Vorhabens erläutert [und er hat mehr Ahnung als alle heutigen Politiker zusammen und das schon zwei Jahre vor der heutigen Diskussion!].“) bleibt leider festzuhalten, daß Schmidts Analyse oder Bemerkungen fehlerhaft und sein Beitrag der Diskussion in Deutschland eher abträglich als ihr zukömmlich ist. Um einen weiteren ehemaligen Politiker zu paraphrasieren, der sich aber zum Glück nicht im gleichen Maße in die Diskussion in seiner Heimat einmischt: Il a raté une occassion de se taire (Er hat eine Möglichkeit verpasst zu schweigen).
Zum Inhalt:
Die Fallizität deutscher Isolation durch einen einseitigen Abzug aus Afghanistan weist Schmidt ja selber auf indem er die kanadischen und niederländischen Beispiele zitiert. Warum dies in Bezug auf einen militärischen deutschen Beitrag, der sich wiederholt schwierigen Einsatzgebieten versagt hat bzw aufgrund des streng abgestreckten Rahmen seines Mandates zeitweise nicht einmal mehr den Allierten Hilfe leisten konnte, anders sein sollte erscheint unklar. Die „Funktionsfähigkeit“ der Nato geschweige denn der EU wären auf jeden Fall nicht bedroht.
Schmidts „normale“ Kriege sind schon längst nicht mehr normal. Somalia, Irak, Kongo, Darfur, Tschad, Kosovo, es gibt unzählige weitere Beispiele. Der Vergleich mit der Länge des von Material- und Panzerschlachten dominierte Zweite Weltkrieg ist nicht nur irrelevant, sondern auch irreführend, weil er einen asymmetrische Krieg des 21. Jahrhunderts um die Ausbildung eines Staates mit aufeinandertreffenden nationalen Heeren zwar nicht gleichsetzt aber doch vergleicht. Die Amerikaner kämpften (offiziell) 16 Jahre lang in Vietnam. Dies wäre ein angebrachterer Vergleich.
Die deutsche Beteiligung an der Intervention mag vielleicht im deutschen Interesse liegen, dies liegt aber nicht an der Bedrohung durch al-Qaida. Wie Schmidt ja selber zugibt, ist der Krieg in Afghanistan fast nur auf die Taliban konzentriert. Al-Qaida hat sich als eine Art Franchisesystem des Terrors etabliert, welches durch militärische Mittel in seiner Verbreitung kaum zu stoppen ist. Al-Qaida in Afghanistan/Pakistan ist zwar wohl noch der geistige, aber schon lange nicht mehr der operative Kopf. Insofern müßte Schmidt ehrlicherweise, wenn er wirklich nur das deutsche Interesse im Auge hätte, für einen sofortigen Abzug plädieren womit Deutschland als free rider vom kollektiven Einsatz in Afghanistan profitieren würde ohne einer gestiegenen Terrorgefahr in Deutschland ausgesetzt zu sein.
Deutschland soll einerseits alle Positionen mit Frankreich und den anderen europäischen Partnern koordinieren, andererseits den Amerikanern nachfolgen und den Abzug der „deutschen Truppen“ für 2011 erklären. Schmidt muß sich hier entscheiden. Nationalstaatliches Eigeninteresse und -entscheidung oder europäische (oder nur deutsch-französische) Koordinierung. Beides geht nicht.
„Der Schwerpunkt der Aufgaben deutscher Soldaten und Beamten in Afghanistan“ liegt bisher eben gerade nicht „bei der Ausbildung afghanischer Polizei und Armee und beim zivilen Aufbau.“ Ein kurzer Blick auf das militärische Budget im Vergleich zur zivilen Entwicklungshilfe (siehe unten) sowie das Wissen um die massive internationale Kritik an der mangelnden Qualität und Quantität der, von Deutschland ursprünglich gar alleine organisierten inzwischen geleiteten, Polizeiausbildung zeigen dies.
Abschließend bleibt festzuhalten, daß die theoretische Basis islamistischen Terrors nicht im Kampf gegen den Westen liegt, sondern dies nur ein Auswuchs seiner Opposition gegen die säkularen, diktatorischen Regime ist, welche in den meisten arabischen Ländern natürlich mit westlicher Unterstützung regieren. Die Konzentration Schmidts auf westliche Interventionspolitik ist deswegen zu limitiert und würde alleine nicht ausreichen die Rhetorik des islamistischen Terrorismus zu untergraben.
Ist der Krieg in Afghanistan also zu gewinnen? Alleine die Frage ist falsch. Der Krieg kann gewonnen werden und wurde ja auch schon einmal (fast) gewonnen – bis der Irakeinsatz der Amerikaner und das mangelnde Interesse der Europäer dafür sorgten, daß wichtige Ressourcen nicht mehr zur Verfügung standen. Die viel wichtigere Frage ist, ob der Frieden gewonnen werden kann. Selbst das amerikanische Militär ist sich ja inzwischen darüber im Klaren, daß militärische Mittel nicht ausreichen um in Afghanistan (oder Irak) Erfolge zu verzeichnen. Deutschland (und Europa) behaupten zwar schon seit Jahren, daß ihnen dies auch klar sein würde, diese Überzeugung bleibt aber auf Rhetorik beschränkt und schlägt sich politisch nicht nieder. Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan wird 2010 wohl mindestens 700-800 Millionen Euro kosten, die zivile, entwicklungspolitische Hilfe soll 2010 um 52 Millionen auf 144 aufgestockt werden. Muß man da noch groß etwas dazu sagen?
1 comment:
Shalom
It is my first time here. I just wanted to say hi!
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