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Sunday, October 12, 2008

Magisterprüfung: Montesquieue, Publius, et al

Ich schreibe am Montag meine dritte Magisterprüfung über die Gewaltenteilung in der amerikanischen Verfassung und wollte als kleine Übung für mich einfach kurz eine Zusammenfassung des Textes, den ich morgen höchstwahrscheinlich (hoffentlich) schreiben werde, hier wiedergeben.

Auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776 folgend wurden die Articles of Confederation 1777 verfasst und 1781 ratifiziert. Die 13 Kolonien waren erst dadurch zu den USA geworden. Die Regierung, welche sie sich selbst gegeben hatten, zeigte in den nun folgenden Jahren ihre Schwäche. Es gab keine föderale Exekutive und der Kongress, als föderales Organ der Legislative hatte kaum Einfluss auf Gesetzgebung, welche bei den Einzelstaaten verblieb. Dies war vor allem in Bezug auf die internationalen Beziehungen der jungen Republik problematisch, so sie konnte ihre Kriegsschulden nicht zahlen, weil der Kongress von freiwilligen Zuwendungen der Einzelstaaten abhängig war, und selbst der Friedensvertrag mit Großbritannien wurde erst Monate später ratifiziert, weil es keine Möglichkeit die Anwesenheit der Kongressmitglieder zu erzwingen. Den Ausschlagspunkt für den Ruf nach Wandel, nach einer stärkeren Zentralisierung, nach der verfassungsgebenden Versammlung von Philadelphia im Jahr 1787, gab aber wohl letzten Endes die Shays Rebellion. Dieser Aufstand verarmter Bauern, welche gegen Steuern und Gefängnisstrafen aufgrund von ausstehenden Schuldzahlungen kämpften, verschreckte die aristokratische Führungsklasse der Republik und brachte sie zu der Überzeugung das eine umfassende Reform nötig war.

Eine der wichtigsten Prämissen der Constitutional Convention in Philadelphia war die sogenannte Gewaltenteilung. Die Aufteilung der Regierungsgewalt in drei Sparten, der Exekutive, der Legislative, sowie der Judikative. Die spezifische amerikanische Ausformung dieser Teilung war stark von Montesquieus Lesart des britischen Systems beeinflusst, unabhängig davon, daß diese Lesart nur bedingt akkurat war bzw mit der Realität übereinstimmte. Vor allem war Montesquieue einer der ersten Theoretiker (und für die Amerikaner der wichtigste und bekannteste, zitiert sowohl von Gegners als auch Befürwortern der Verfassung, welche aus der Philadelphia Convention hervorging), welcher die Judikative explizit als eigenständig darstellte und nicht der Exekutive zu- oder unterordnete. Laut der sogenannten reinen Theorie der Gewaltenteilung, welche unter anderem in den Verfassungen von Virginia und Pennsylvania annähernd zu finden waren, müßten die drei Gewalten in ihren Befugnissen und Funktionen strikt von einander getrennt werden. Dies gilt auch für die jeweiligen Funktionäre, welche alle, auf unterschiedlichen Arten und Weisen und vollkommen unabhängig voneinander, vom Volk gewählt werden sollten. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß dies in den USA nicht der Fall ist. Ich werde nun im folgenden versuchen die amerikanischen Geflechte, diese checks and balances, welche aus der Idee der Gewaltenteilung erwuchsen, kurz zu skizzieren. Es muß in dieser Hinsicht betont werden, daß bestimmte Unterschiede bestehen zwischen der Verfassung einerseits, ihrer berühmtesten Interpretation (Publius Federalist Papers) und der heutigen Realität. Abschließend ein kurzes Wort zu den Federalist Papers noch, Publius waren in Wirklichkeit James Madison, Alexander Hamilton und John Jay und damit einflußreiche Teilnehmer der vefassungsgebenden Versammlung in Philadelphia. Die Federalist Papers wurden zur Verteidigung der Verfassung und zur Sicherstellung ihrer Ratifizierung in New York veröffentlicht, erst als Artikel dann in Buchform. Sie symbolisieren nicht nur den basisdemokratischen (Frauen, Sklaven, Indianer sowie Arme ignorierend) Anspruch der Ratifizierung der Verfassung (vom Volk kommend), sondern können auch als einflußreichste Interpretation der Verfassung bezeichnet werden und als Klassiker der modernen politikwissenschaftlichen Theorie.

Die amerikanische Verfassung teilt klar die Exekutivgewalt dem Präsident zu, die Judikativgewalt dem höchsten Verfassungsgericht und alle in der Verfassung genannte Legislativgewalt dem Kongress, welcher aus zwei Häusern besteht. Diese Einschränkung legislativer Macht wurde durch das 10. Amendment noch betont, welches alle Macht, welche in der Verfassung nicht dem Nationalstaat zu- oder den Einzelstaaten abgesprochen wurde, den Einzelstaaten zuschlug. Es wird in der Verfassung selber keine Gewichtung der unterschiedlichen Gewichtung vorgenommen, es wird keiner eine Prävalenz zugeordnet. Stattdessen werden die Überschneidungen und das für die USA so entscheidende System der checks and balances nur durch die Auflistung der einzelnen Befugnisse jeder der drei Gewalten dargestellt.

Publius betont in den Federalist Papers wiederholt die Tatsache, daß die amerikanische Verfassung Montesquieus Gewaltenteilung (dieser wird als Orakel, als metaphysischer Ursprung derselben dargestellt) treu bleibt. Denn, laut Montesquieu müßten die drei Gewalten nicht vollkommen voneinander getrennt werden, vielmehr ist es zur Bewahrung der Freiheit nötig zu verhindern, daß nicht ein Akteur oder Organ, welcher ein Gewalt vollkommen beherrscht, die Kontrolle über eine zweite vollkommen erlangt. Dies ist wie wir bald sehen werden in den USA nicht der Fall, weswegen der Vorwurf der Anti-Federalists (Brutus, Cato, etc...) das Prinzip der Gewaltenteilung sei missachtet nicht zutrifft. Weiterhin erklärt Publius, daß diese reine Gewaltenteilung, die exakte Abtrennung der drei Gewalten auch schlicht unmöglich sei, da es keiner politikwissenschaftlichen Autorität bisher gelungen sei, diese drei sauber voneinander getrennt zu definieren. Dieses Manko der Forschung wiederum läge an der Ungenauigkeit der Definitionen jeder der drei Gewalten, der mangelnd klaren Darstellung in Gesetzestexten sowie der mangelnden Genauigkeit von Sprache diese Definitionen überhaupt genau auszudrücken. Die Aufweichung der Gewaltenteilung ist also nach den großen Denkern erlaubt, unvermeidbar und schließlich auch nötig. Dies liegt an der Machtverteilung in einer repräsentativen Republik, wo die Legislative als die stärkste Gewalt sich auf die Felder der anderen beiden Gewalten ausbreiten würde, um letzten Endes in einer Tyrannei auszuarten (in einer Monarchie oder Demokratie würde diese Gefahr von der Exekutive ausgehen). Um diese Machtübernahme der Legislative, der Vertretung des Volkes, einer Art Tyrannei der Mehrheit zu entgehen, muß also die Legislative also geschwächt, die Exekutive gestärkt werden. Aus diesem Grund sind Überschneidungen, sind gegenseitige Kontrollen notwendig für die Beibehaltung der Freiheit im amerikanischen System. Publius drückt es mit seiner schönen Redewendung aus, daß ambition has to check ambition.

Konkret in der amerikanischen Verfassung gibt es nun einige (viele) Aspekte, welche die Exekutive stärken, die Legislative schwächen, aber auch die Kontrolle der Legislative über die Exekutive betonen. Ich werde später auf den gesonderten Fall der Judikative eingehen auch wenn sie bis dahin schon das eine oder andere mal passiv erwähnt werden wird. Die Legislative wird erstens dadurch geschwächt, daß sich in ihr zwei Kammern finden (the Senate and the House), welche Gesetze nur zusammen beschließen können. Des weiteren unterliegen Parlamentsgesetze (nicht Verfassungsänderungen) der Kontrolle des Supreme Courts in Bezug auf ihre Verfassungsmäßigkeit, hier wird später noch darauf einzugehen sein. Parlamentsgesetze können weiterhin vom Präsidenten per Veto an den Kongress zurückgeschickt werden, dieses Veto kann nur mit einer 2/3 Mehrheit überstimmt werden. Schließlich sitzt der Vize-Präsident dem Senat vor und trifft Stimmgleichheit mit seiner Stimme die Entscheidung.

Gleichzeitig besitzt der Kongress natürlich einige Stärken, so wird ihm die Macht über den Finanzhaushalt eingeräumt (power of the purse), welche auch unter anderem im Haushaltboykott der damals neuen republikanischen Mehrheit im House gegen Präsident Clinton eingesetzt wurde. Internationale Verträge müssen vom Senat mit einer 2/3 Mehrheit abgesegnet werden, desgleichen bedürfen Richter und Regierungsoffizielle einer simplen Mehrheit im Senat vor der Bestallung durch den Präsidenten. Der Kongress ist das einzige Organ welche Kriege erklären sowie Truppen ausrufen und finanzieren kann. Des weiteren kann das Repräsentantenhaus den Präsidenten und andere ernannte Offizielle und Richter impeachen, das Verfahren hierfür wird dann im Senat geführt (wobei im Fall des Präsidenten der Supreme Court Chief Justice dem Verfahren vorsitzt). Diese Zweiteilung soll dieses Verfahren gleichzeitig abschwächen, da ansonsten die Gefahr bestände (laut Publius), daß passions and emotions zu zu raschen und häufigen Abrufungen führen würden. Letztendlich kann der Kongress Zeugen in Gerichtsverfahren Immunität zu sagen um Aufklärung staatsrelevanter Vorgänge zu erlangen.

Die Exekutive, der Präsident de facto (auch hier wird später nochmal darauf eingegangen), wird durch das bereits erwähnte Veto gestärkt (hier wurde von einem absoluten Veto wie es in Großbritannien bestand abgesehen, dies aus zwei Gründen, der Schwäche dieses Vetos und dessen Stärke; dieses gegensätzliche Argumentepaar besteht aus der zu häufigen und stringenten Benutzung in besonderen Fällen, wo die Exekutive jeden Wandel stoppen könnte, sowie des zu selten erfolgenden Vetos in normalen Fällen, wo ein absolutes Veto ein zu grober Klotz für einen kleinen Keil darstellt). Er kann außerdem Richter und Regierungsoffizielle ernennen, bedarf hierfür zwar immer der Zustimmung des Senats, besitzt aber ein alleiniges Vorschlagsrecht. Desweiteren he can make war auch wenn er ihn nicht erklären kann und ist Oberkommandierender der Armee und Flotte. Außenpolitische Verhandlungen werden von ihm geführt. Um seine Unabhängigkeit von der Legislative sicherzustellen kann sein Gehalt nicht verändert werden und um sein konstantes Engagement zu gewährleisten, sollte er immer wieder wählbar sein (was natürlich inzwischen geändert wurde). Der Präsident kann außerdem pardons erteilen. Schließlich ist es wichtig, daß die Verantwortung der Exekutive in einer Hand liegt, welches es ermöglicht diesen leichter zu bestrafen (in Wahlen oder Impeachment-Verhandlungen), da Fehlentscheidungen leichter zuzuordnen sind als in Gruppe.

Geschwächt wird der Präsident einerseits durch die Tatsache, daß es für fast alle Entscheidungen eine Mehrheit im Kongress (Senat) benötigt sowie durch die vollkommene Abhängigkeit vom Kongress in finanziellen Dingen (siehe Paulson-initiative).

Die Judkiative spielt eine gewisse Sonderrolle, da davon ausgegangen wird, daß sie keine Gefahr für die Freiheit und die anderen beiden Institutionen darstellt. Da des weiteren Qualifikationen aufgrund der Komplexität von der Thematik eine größere Rolle spielen würde, wird die Judikative ausgeklammert aus dem Verfahren, welches das Volk die drei Gewalten (in verschiedenen Verfahren um Kongruenzen zu vermeiden) wählen lasst. Der Präsident schlägt Richter vor, der Senat stimmt zu und kann den Prozess verzögern, nie aber eigene Favoriten erwzingen. Durch eine lebenslange Berufung und der Tatsache, daß Gehälter nicht gesenkt werden dürfen (erhöht aus inflationären Gründen schon) wird gehofft, daß trotzdem eine Unabhängigkeit der Judikative gewährleistet ist. Die wichtigste Stärkung des Verfassungsgerichtes, die Einrichtung von judicial review, wird interessanterweise in der Verfassung nicht explizit erwähnt, sondern bereits von Publius aus dem Unterschied zwischen Verfassungsgesetzen und parlamentarischen Gesetzen abgeleitet. In der amerikanischen Geschichte wurde dies erst mit Marbury vs Madison 1803 etabliert ohne, daß eine Festschreibung in der Verfassung je erfolgte.

In Bezug auf die damalige Diskussion bleibt festzuhalten, daß vielerorts eine tyrannische Aristokratie befürchtet wurde, bedingt durch die starke Rolle des Senats sowohl in Bezug auf exekutive wie auch auf legislative Belange (und einem gewissen Grad an judikativer Macht obendrein). Des weiteren ist die starke Betonung auf Korruption interessant, weswegen unter anderm Gehälter festgeschrieben wurden und der Senat internationale Verträge absegnen sollte, da befürchtet wurde fremde Mächte könnten sonst die Regierung bestechen. Genau andersherum gesehen wurde dies aber auch als Gefahr wahrgenommen, so in der niedrigen Sperrminorität im Senat, welche leicht von fremden Mächte zur Blockierung bestimmter Verträge genutzt werde könnte. Schließlich hatten die meisten Kritiker eine andere Auffassung der Gewaltenteilung und bevorzugten anstelle der checks and balances eine stringentere Trennung zwischen den Gewalten (so etwa Thomas Jefferson).

In der heutigen Republik und Praxis haben sich natürlich viele Aspekte vollkommen anders entwickelt als gedacht oder vorausgesagt. Die Exekutive durch Machtdelegation aufseiten des Kongresses hat sich gemausert. Viele Exekutiveinheiten (so der USTR) werden vom Kongress und Präsidenten gleichzeitig geleitet. Die Exekutivbürokratie hat sich durch ihre langfristigen Ausblick zu einer 4. Gewalt im Staat entwickelt. Viele Verhandlungen werden unterhalb der politischen Ebene der Exektuive direkt zwischen Beamten und Committees oder Subcommittees des Kongresses geführt, einfach aus dem Grund, daß diese beiden Strukturen viel länger zusammenarbeiten und tiefer in die Materie eingetaucht sind, als ein kurzfristig ernannter head of department. Gerichtsurteile haben die Macht der Exekutive viel mehr Gestaltungskraft eingeräumt, nicht unbedingt gegen den Kongress, sondern vielmehr in Bezug auf Dinge, wo der Kongress einfach noch keinerlei Entscheidung getroffen hat. Schließlich werden desöfteren executive agreement als Ersatz für internationale Verträge abgehandelt um die Zustimmungsmacht des Senates zu umgehen.

Der Kongress selber hat sich von einem aktiven Gesetzgeber (eine Rolle, welche die Exekutive zum großen Teil übernommen hat), zu einem passiven Kontrolleur entwickelt, der ein legislatives Veto ausübt (welches zwar vom Supreme Court als nicht verfassungsgemäßt beurteilt wurde, aber von beiden (Exekutive und Judikative) inoffiziell anerkannt wird). Dies bedeutet in der Praxis, daß die Exekutive entscheidet, aber dem Kongress ein Veto ausspricht. Der Kongress kann interessanterweise Exekutivorgane anders als den Präsidenten auch direkt Befehle erteilen bzw ihnen Macht delegieren und tut dies auch, was die Macht der 4. Gewalt eher noch erhöht (vor allem die direkte Delegation). Letztlich läßt sich sagen, daß der Kongress weiterhin viel Macht besitzt aber nicht immer klar ist, wie er diese anwendet. Siehe Vietnam, 9/11, invasion of Iraq.

Der Supreme Court letzten endes hat diese Machtverlagerung nicht blockiert, und mischt sich überhaupt selten in Gewaltenteilungsaspekte ein (eine Ausnahme sind die 30er Jahre und Roosevelts Sozialpolitik, dies war aber wohl eher eine Ausnahme und inhaltlich bedingt). Stattdessen kann man ihn als Vertreter der nationale Interessen gegenüber den Einzelstaaten und Individuen bezeichnen, der dadurch zB die Civil Rights Bewegung stark gestärkt hat.

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