Weiter auf der Entdeckungsreise des Orients, der arabischen Welt, was auch immer das genau heißen soll, nun also meine erste palästinensische Autorin, Sahar Khalifa, übrigens auch die erste Muslima, welche ich gelesen habe. Die Sonnenblume behandelt die sich überschneidenden Geschichten verschiedener Bewohner Nablus mit einem Schwerpunkt auf drei weiblichen Figuren. Sowohl die weibliche als auch die palästinensische Perspektive - ohne blinden Hass oder antisemitischer Rhetorik - ergeben einen unglaublich interessanten Einblick in eine eingepferchte, machtlose Gesellschaft, in ihrer religiöstraditionellen Verschlossenheit und Scheinheiligkeit, aber auch in ihrem letzten Endes nutzlosen Kampf ihrer Bürger für sich eine bessere Welt zu erkämpfen.
Khalifa zeichnet diese Gesellschaft in - fast - ihrer gesamten Breite - seltsamer Weise läßt sie islamistische Fundamentalisten weitestgehend außen vor. Ihre wichtigsten Figuren sind eine Gelegenheitshure, welche ihrem erkrankten Mann hierdurch seine teuren Medikamente ermöglicht, die Witwe eines Märtyrers des Widerstandes, welche ihre Kinder alleine hochzieht und aufgrund ihrer Eigenständigkeit als unmoralisch angesehen wird, und schließlich ein intellektuelle, emanzipierte Journalistin, die mit dem Dilemma der lieben wollenden, 'besessen' werden wollenden aber aufgeklärten, gebildeten Frau zu kämpfen hat. Hinzu kommen unter anderem ein politisch engagiertes Brüderpaar, der eine als Schreiber, der andere als Widerstandskämpfer, und der Chefredakteur einer demokratischrevolutionären Zeitung, der mit seiner Autorität und der Finanzierung seiner Zeitung zu kämpfen hat.
Khalifa bringt dem Leser die Palästinenser näher, nicht als abstrakte Leidende, sondern als lebende, atmende, zweifelnde aber kämpfende - gegen das Leben, ihre Gesellschaft, die israelische Besatzung - Individuen, die sich einer furchtbaren Situation anpassen.
No comments:
Post a Comment