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Tuesday, December 26, 2006

Nur Die Schatten Bleiben

Ich las Nur die Schatten bleiben von Thomas T. Blatt ohne Pause irgendwo zwischen Paris und Toronto auf meinem Flug in die USA. Weil ich am Anfang fand es sei schwierig in das Buch hineinzufinden, war ich nach einiger Zeit vollkommen darin versunken. Blatt beschreibt den Aufstand im Vernichtungslager Sobibor der zur Flucht von ueber 300 Haeftlingen fuehrte. Dieser Aufstand und die darauf folgende Massenflucht war der einzige - erfolgreiche - dieser Groessenordnung in den Vernichtungslagern der Nazis. Es wurden fast alle SS-Aufseher sowie einige der ukrainischen Hilfstruppen getoetet. Blatt war selber zwar in die Vorbereitungen involviert und auch an diesen beteiligt spielt aber keine besonders grosse Rolle bei weder der Plannung noch der Ausfuehrung. Nichtsdestotrotz ist sein Buch ein faszinierendes Dokument. Blatt beschreibt sein Leben im besetzten Polen, den Beginn der Verfolgung, die Kolloboration seiner polnischen Mitbuerger, die Grausamkeit der deutschen Besatzer. Diese Beschreibung haelt Blatt aber auf einem sehr emotionsarmen Niveau und gerade dies kommt seinem Buch zugute. Die Tatsache, dass er ohne Hass, ohne Ausdruck von Emotionen die Ereignisse erzaehlt, verleihen ihnen eine groessere Wirkung, weil gerade dadurch ihre Unnatuerlichkeit staerker betont wird.

Ich kann dieses Buch nur empfehlen fuer alle historisch interessierte Menschen. Viele Aspekte der abartigen deutschen Vergangenheit werden einem erst durch eine solche Beschreibung klar. Dies sind zwar keine wirklich neuen Dinge, die man erfaehrt, aber sie werden von einer anderen Seite (eher qualitativ und episodenhaft als quantitativ und allgemein) dargestellt. So wird die Zusammensetzung des Vernichtungslagers aufgezeigt, wo Jude natuerlich nicht Jude ist, sondern Deutscher, Hollaender oder Pole. Diese Gruppen konkurrieren auch untereinander (ein aufgedeckter Fluchtplan der polnischen Haeftlinge wird den Hollaendern in die Schuhe geschoben, welche darauf hin alle vergast werden) und die im Vernichtungslager arbeitenden Haeftlinge unterstuetzen die Arbeit der deutschen Moerder, in dem sie neu ankommenden Opfern gegenueber den Eindruck erwecken sich in einem akzeptablen Arbeitslager zu befinden (dies natuerlich unter konstater Todesdrohung sich selbst gegenueber). Die Geldgier der polnischen Landbevoelkerung, welche die fluechtenden Juden bis auf das Hemd ausnehmen und dann trotzdem noch umbringen, ist schockierend. Die mangelnde Solidaritaet der Insassen untereinander ist erschreckend (wenn auch erklaerlich), nach der erfolgreichen Flucht setzen sich die ehemaligen russischen Soldaten mit den erbeuteten Waffen von den anderen Fluechtlingen ab, opfern diese im Prinzip um die eigenen Chancen zu erhoehen.

Ich koennte weitere dieser Episoden beschreiben, aber insgesamt bleibt wohl nur zu sagen, dass dieses Buch schockierend und grausam ist, wenn es auch nie die Ebene des rein faktischen Beschreibens verlaesst und seine 8,95 mehr als wert war. Kaufts Euch...

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