Theodor Herzls Der Judenstaat ist wohl einer der großen Klassiker der Ideengeschichte, einer der ideellen Gründungstexte des Zionismus. Es ist auch ein sehr kurzes und überraschend konkretes Büchleich, was sich schnell und leicht lesen lässt.
Herzl legt darin aus warum er für die Gründung eines Judenstaates plädiert. Einersteis weil Antisemitismus letztlich unüberwindbar ist und dann weiterhin aus jüdisch-nationalistischen Gründen, er greift in seiner Argumentation so gut wie gar nicht auf Religion zurück. Diese Religionsferne bedingt auch, dass er als potentielles Zielland für seinen Judenstaat nicht nur Palästina sonder auch Argentinien in Betracht zieht. Auch wenn ich Shlomo Sand immer noch nicht gelesen habe, bezweifele ich ja persönlich die Existenz eines jüdischen Volkes aber Herzl hat hier eine letztlich schwer zu widerlegende Antwort darauf: Wir sind ein Volk - der Freind macht uns ohne unseren Willen dazu.
Herzl entwickelt eine ziemlich positiv anmutende Utopie eines sprachlich föderalen Staates (Wir können doch nicht Hebräisch miteinander reden. Wer von uns weiß genug Hebräisch, um in dieser Sprache ein Bahnbillet zu verlangen.), welcher durch harte Arbeit und Investitionen den Antisemitismus nicht nur in diesem zu schaffenden Land, sondern auch in den Herkunftsländern, abschaffen würde. Wie Utopien es so an sich haben ist seine Sichtweise letzten Endes leicht naiv. Der Antisemitismus des frühen 21. Jahrhundert ist sicherlich - in Europa - schwächer entwickelt als sein Äquivalent zu Anfang des 20. Jahrhunderts, es gibt ihn aber nicht nur immer noch, er wurde in anderen Weltregionen (die arabische Welt!) sogar noch um einiges verstärkt und zwar genau wegen der Schaffung dieses Staates, Israel, und der Entwurzelung bzw Vertreibung der vorherigen, muslimischen, Bewohner des Gebietes. Letztlich hat sich Israel ironischerweise - gerade in den letzten Jahren - von der säkularen, nationalistischen Utopie Herzls zu einer viel stärker religiös ausgerichteten Gesellschaft entwickelt.
Abschließend bleibt nur meiner Verwunderung über Herzls unglaublich detailliertes kapitalistisches Modell der Entstehung dieses Staates auszudrücken, auf der Gründung einer Firma, welche die Reichtümer der emigrierenden Juden verwaltet und in neue Länder bzw Häuser im gelobten Land anlegt, aufbauend. In gewisser Weise eine seltsame Kombination kommunistischer und kapitalistischer Prinzipien.