Ich weiß gar nicht mehr, wo ich mir Italo Calvinos Wo Spinnen Ihre Nester Bauen gekauft habe. Ich entsinne mich nur noch, daß es super billig war und ich es kaufte ohne irgendetwas über den Autor oder das Buch vorher zu wissen. Ich habe es jetzt in den letzten Tagen relativ schnell gelesen (ja, irgendwie mache ich das gerade öfter so, schalte meinen Rechner morgens nach dem Email-, Zeitungslesen und Vokabeltraining einfach aus und kriege dadurch viel mehr andere Sachen hin) und es hat mir sehr gut gefallen.
Calvino erzählt die Geschichte der italienischen Resistenza (?) gegen die deutsche Besatzung nach dem Sturz Mussolinis aus der Sicht eines kleinen Jungen. Dieses Kind ermöglicht es Calvino seine gesammelten Erfahrungen, weil er wie Babtschenko schreibt über einen Kampf an dem er selber teilnahm, aus einer gewissen naiven Perspektive mitzuteilen. Pina, wie der kleine Junge heißt, mit der Grausamkeit und Rücksichtslosigket eines Kindes nimmt kein Blatt vor den Mund und deckt die Scheinheiligkeit der erwachsenen Welt erbarmungslos offen. Er stiehlt dem deutschen Matrosen, der zu den vielen Kunden seiner Schwester gehört - diese gehört als Dienstleisterin dem vielmals als ältestem der Welt bezeichneten Gewerbe, seine Pistole, er verrät die Äffäre, die der Kommandant seiner Resistenzgruppe mit der Frau des Koches hat vor versammelter Mannschaft. Er muß, auch wenn er es nie wirklich tut, lernen zwischen den Worten und Taten der Erwachsenen zu unterscheiden, welche ihn durch starke Worte zum Widerstand animieren, nur um dann selber bei geringstem Druck ihre einstigen Kameraden zu verraten und zum Feind, zur Schwarzen Brigade, zu wechseln.
Pina hat in einer gewissen Art etwas von Huckleberry Finn, seine leicht naive Ezählweise, in welcher er kontinuierlich Wörter einwirft, welche er nicht wirklich versteht (zum großen Teil kommunistische Begriffe wie Trotzkist), seine Abenteurodysee verweisen beide stark auf Mark Twains jugendlichen Helden.
Es bleibt anzumerken, daß die Erzählweise meistens aus der 3. Person bei Pina bleibt, außer in einem eindrucksvollen Kapitel, wo ein intellektueller Führer der Widerstandsbrigade - ich habe keine Ahnung, ob Calvino sich hier verstärkt selber einbrachte, es wäre eine Möglichkeit in Anbetracht der Tatsache, daß er selber im Widerstand kämpfte - sich darüber Gedanken macht, was die Gründe für den Kampf seiner Mitstreiter sind. Diese erscheinen profan, und ohne Richtung, die wenigsten von ihnen arbeiten hin auf ein sozialistisches - oder anders geartetes - Ziel, die meisten versuchen einfach ihnen angetanes Leid wieder gutzumachen oder zu rächen. Sein innerer Monolog ist eine sehr anregende Reflexion über die Gründe dieser Männer ihr Leben zu riskieren und gibt dem Rest des Buches dominiert von menschlichem Versagen eine Art theoretische oder philosophische Basis.
Ein sehr schönes Buch.
Japan Finally Got Inflation. Nobody Is Happy About It.
10 months ago
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