Auch im Ausland die Zeit treu lesend ärgere ich mich fast wöchentlich über die schwachen Leitkommentare der ersten Seite. Wenig überzeugende Argumente genährt durch falsch verstandene angeblich Fakten resultieren in schmetterlingsgewichtigen Kommentaren.
Diese Woche erklärt uns Khue Pham, daß sich die Jugend im Nahen Osten für ihre Grundrechte erhoben habe, die Jugend in England um Konsumgüter zu erlangen.
Die Analyse der Ereignisse in England ist ihrer zeitlichen Nähe entsprechend kaum möglich, dennoch gibt es klare Zeichen, daß, von einigen Ausnahmen abgesehen, diejenigen Randalierer, welche bisher vor Gericht gestellt wurden, aus sozial prekären Umständen stammen. Warum sind diese Leute also so hoffnungslos? Ganz einfach, viele von ihnen sind entweder arbeitslos oder bestenfalls in minder-bezahlten Aushilfsjobs tätig. Ach ja, sie haben außerdem keine Aufstiegschancen, wenn sie noch so hart arbeiten und anständig sind, dann werden sie in zehn Jahren immer noch um ihr monatliches Auskommen bangen. Denn: working-class children in Britain are less likely to climb the social ladder than in any other developed nation, youth unemployment liegt bei 20,5%, there were 6.8 million low paid workers in the UK
in spring 2003, some 27% of the total, und income inequality steigt auch immer weiter.
Jugend als Versprechen hört sich in Angesicht dieser Zahlen und Fakten bestenfalls wie gut meinende Ahnungslosigkeit an, ist aber letzten Endes nichts als blanker Zynismus. Diese Jugendlichen und jungen (zum großen Teil) Männer stürmen also Kaufhäuser einfach, um sich die Konsumgüter, welche sie sich nicht leisten können, dort einfach zu nehmen. Ist das gut? Nein, natürlich nicht, aber man muß sich eben auch der zugrunde liegenden strukturellen Grunde hinter diesen Ausschreitungen bewußt sein und sie nicht pauschal als Konsumgeilheit der Masse abtun.
Schließlich hat Pham wie so viele im Westen kein wirkliches Verständnis der Aufstände in Nordafrika und im Nahen Osten. Wer waren denn die Menschen, die in Tunesien auf die Straße gingen um dafür zu sorgen, daß Ben Ali dégage? Ich frage hier nicht nach dem Bildungsbürgertum, welches am 14. Januar an den Massendemonstrationen teilnahm und die Flucht Ben Alis feierte, sondern vielmehr nach den Namenslosen, welche im Dezember in Sidi Bouzi oder Kasserine ihr Leben riskierten (und starben) um ihrer Frustration und Hoffnungslosigkeit Ausdruck zu geben in dem sie Geschäfte attackierten und Autos abbrannten - sounds familiar? Die tunesische Revolution war in ihrem Ursprung ja keine politische, sondern eine wirtschaftliche. Die arbeits- und zukunftslose Jugend des Landesinneren explodierte und leistete die Vorarbeit, welche es den gebildeten Eliten der Küstenregionen erlaubte ein zutiefst korruptes und tyrannisches System zu beenden. Natürlich sind die wirtschaftlichen und politischen Situationen im Nahen Osten und dem Vereinigten Königreich schwer vergleichbar, aber ein Vergleich bleibt möglich und läßt sich weder so leicht noch so oberflächlich abtun wie Khue Pham dies tut.
Gleich daneben darf Josef Joffe beweisen, daß er von wirtschaftlicher Theorie leider wenig versteht, aber trotzdem mit absoluter Selbstsicherheit über derartige Themen schwadronieren kann. Schade.
Ein Zehn-Prozent-Defizit ist nicht Keynes en gros, es kann durch ein keynesianisches bedingt sein, muß es aber nicht. Laut Keynes soll der Staat anti-zyklisch in die Wirtschaft eingreifen, also Ausgaben heben, wenn die Realökonomie lahmt, wenn derselbe Staat in den Boomjahren die Ausgaben bereits nach oben getrieben hat - und auf dem erwähnten 10% Defizit angelangt ist, dann muß er, wenn er Keynes folgen will, seine Ausgaben weiter steigern. Also nix, Keynes en gros, und wenn Herr Joffe ab und an mal solch notorisch linke Publikation wie den Economist lesen würde, dann wäre er sich darüber im klaren wie weit verbreitet der Ruf nach einer Konjunkturspritze ist.
Der kühle ökonomische Verstand den Josef Joffe gerne hätte, wäre natürlich auch in der Lage zwischen seiner zitierten Liquiditäts-Flut und dem von Keynes geforderten Eingriff des Staates in die reale Wirtschaft gerade in einer - deflationären - Null-Zinsen Situation zu unterscheiden.
Was bleibt? Ich frage mich immer öfter warum ich die erste Seite der Zeit (und alles was Josef Joffe so von sich gibt) überhaupt noch lese. Wirklich schade eigentlich.
Diese Woche erklärt uns Khue Pham, daß sich die Jugend im Nahen Osten für ihre Grundrechte erhoben habe, die Jugend in England um Konsumgüter zu erlangen.
Man will diese Leute am liebsten packen, ihnen die Kapuzen herunterziehen und rufen: Was fällt euch ein?! Wieso seid ihr so wütend? Wieso seid ihr so hoffnungslos? Man müsste dabei die eigene Wut gegen sie unterdrücken: Jugend ist auch ein Versprechen, aber diese Versprechen haben die Plünderer von London weggeworfen.
Die Analyse der Ereignisse in England ist ihrer zeitlichen Nähe entsprechend kaum möglich, dennoch gibt es klare Zeichen, daß, von einigen Ausnahmen abgesehen, diejenigen Randalierer, welche bisher vor Gericht gestellt wurden, aus sozial prekären Umständen stammen. Warum sind diese Leute also so hoffnungslos? Ganz einfach, viele von ihnen sind entweder arbeitslos oder bestenfalls in minder-bezahlten Aushilfsjobs tätig. Ach ja, sie haben außerdem keine Aufstiegschancen, wenn sie noch so hart arbeiten und anständig sind, dann werden sie in zehn Jahren immer noch um ihr monatliches Auskommen bangen. Denn: working-class children in Britain are less likely to climb the social ladder than in any other developed nation, youth unemployment liegt bei 20,5%, there were 6.8 million low paid workers in the UK
in spring 2003, some 27% of the total, und income inequality steigt auch immer weiter.
Jugend als Versprechen hört sich in Angesicht dieser Zahlen und Fakten bestenfalls wie gut meinende Ahnungslosigkeit an, ist aber letzten Endes nichts als blanker Zynismus. Diese Jugendlichen und jungen (zum großen Teil) Männer stürmen also Kaufhäuser einfach, um sich die Konsumgüter, welche sie sich nicht leisten können, dort einfach zu nehmen. Ist das gut? Nein, natürlich nicht, aber man muß sich eben auch der zugrunde liegenden strukturellen Grunde hinter diesen Ausschreitungen bewußt sein und sie nicht pauschal als Konsumgeilheit der Masse abtun.
Schließlich hat Pham wie so viele im Westen kein wirkliches Verständnis der Aufstände in Nordafrika und im Nahen Osten. Wer waren denn die Menschen, die in Tunesien auf die Straße gingen um dafür zu sorgen, daß Ben Ali dégage? Ich frage hier nicht nach dem Bildungsbürgertum, welches am 14. Januar an den Massendemonstrationen teilnahm und die Flucht Ben Alis feierte, sondern vielmehr nach den Namenslosen, welche im Dezember in Sidi Bouzi oder Kasserine ihr Leben riskierten (und starben) um ihrer Frustration und Hoffnungslosigkeit Ausdruck zu geben in dem sie Geschäfte attackierten und Autos abbrannten - sounds familiar? Die tunesische Revolution war in ihrem Ursprung ja keine politische, sondern eine wirtschaftliche. Die arbeits- und zukunftslose Jugend des Landesinneren explodierte und leistete die Vorarbeit, welche es den gebildeten Eliten der Küstenregionen erlaubte ein zutiefst korruptes und tyrannisches System zu beenden. Natürlich sind die wirtschaftlichen und politischen Situationen im Nahen Osten und dem Vereinigten Königreich schwer vergleichbar, aber ein Vergleich bleibt möglich und läßt sich weder so leicht noch so oberflächlich abtun wie Khue Pham dies tut.
Gleich daneben darf Josef Joffe beweisen, daß er von wirtschaftlicher Theorie leider wenig versteht, aber trotzdem mit absoluter Selbstsicherheit über derartige Themen schwadronieren kann. Schade.
Ein Zehn-Prozent-Defizit ist nicht Keynes en gros, es kann durch ein keynesianisches bedingt sein, muß es aber nicht. Laut Keynes soll der Staat anti-zyklisch in die Wirtschaft eingreifen, also Ausgaben heben, wenn die Realökonomie lahmt, wenn derselbe Staat in den Boomjahren die Ausgaben bereits nach oben getrieben hat - und auf dem erwähnten 10% Defizit angelangt ist, dann muß er, wenn er Keynes folgen will, seine Ausgaben weiter steigern. Also nix, Keynes en gros, und wenn Herr Joffe ab und an mal solch notorisch linke Publikation wie den Economist lesen würde, dann wäre er sich darüber im klaren wie weit verbreitet der Ruf nach einer Konjunkturspritze ist.
Der kühle ökonomische Verstand den Josef Joffe gerne hätte, wäre natürlich auch in der Lage zwischen seiner zitierten Liquiditäts-Flut und dem von Keynes geforderten Eingriff des Staates in die reale Wirtschaft gerade in einer - deflationären - Null-Zinsen Situation zu unterscheiden.
Was bleibt? Ich frage mich immer öfter warum ich die erste Seite der Zeit (und alles was Josef Joffe so von sich gibt) überhaupt noch lese. Wirklich schade eigentlich.
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