Immer noch im Bestreben meine mangelnden Kenntnisse deutscher Literatur aufzumöbeln, bin ich dabei Klassiker aus der Bibliothek meines verstorbenen Großvaters gerettet abzuarbeiten. Heute: Siegfried Lenz Der Mann im Strom. Zeitlich durchaus mit Bölls Brot der frühen Jahre vergleichbar kritisiert auch Lenz die neue, schöne bundesrepublikanische Werbe- und Konsumgesellschaft. Seine Kritik wir aber klar gegenüber der tragischen Geschichte seines Helden zurückgestellt.
Dieser, der Held und Taucher Hinrichs, ist ein älterer Mann, zu alt um in seinem angestammten, schwierigen Beruf noch Arbeit zu finden, welcher an der neuen ihn umgebenden Welt nicht teilnehmen will, aber noch viel mehr ihren korrumpierenden Einfluss auf die Jugend beklagt, welchen es allen "heute nicht schnell genug [geht], sie wollen nicht lernen, sondern gleich etwas sein und eine menge Geld verdienen." Nein, eigentlich ist es gar nicht klar, ob Hinrichs die Gesellschaft wegen dieses Mißstandes anschuldigt oder ob er ihn nicht vielmehr der Jugend als solcher ankreidet. "[Sie glauben] wer weiß was wert zu sein. Aber wieviel man wert ist, das kann man nicht selbst bestimmen, auch nicht, wenn man ein Motorrad fährt oder ein Radio mit sich herumschleppt oder diese feinen, wattierten Jacketts trägt. Was einer wert ist, das zeigt sich bei anderer Gegebenheit."
Hinrichs, alleinerziehender Vater, ohne daß man weiß, wo seine Frau wäre, einer schwangeren und alleingelassenen Tocher, ist also der tragische, sympathieheischende (und -erhaltende) Held dieser Geschichte, ein konservativer Held ("Die von den Ämtern und der Polizei und der Kirche reißen sich eher ein Bein aus, als daß sie etwas auf diese Burschen kommen lassen. Die glauben immer noch, daß sie mit berufsmäßiger Güte heilen können"), welches Bild noch durch die wiederholte Beschreibung eines Bismarckdenkmales verstärkt wird. Trotzdem ist Hinrichs natürlich ein guter Mann und in seiner Hilflosigkeit und Güte ein Symbol von Größe. Er wird sicherlich nie messbaren Erfolg erringen, aber er wird mit sich selber zufrieden sein können.
Der Mann im Strom ist ein wirklich schönes, nostalgisches Buch. Die einzige Frage, die sich dem heutigen Leser stellt ist nach der Motivation des Autors. Lenz, als Autor der Deutschstunde dürfte kaum der Verherrlichung des Nazismus bezichtigt werden, aber es fällt doch auf in diesem Roman, wie der Hauptdarsteller (und andere Männer seines Alters) die Jugend sowie die moderne Welt von einer moralischen Warte aus kritisieren. Sind dies die nicht die gleichen Männer, die ihre Jugend einem faschistischen, verbrecherischen Regime schenkten? Warum werden bei aller Nostalgie zwar die Kriegsschäden erwähnt, wird Bismarck genannt und auf die direkte Nachkriegszeit eingegangen, ohne daß der Krieg als solcher thematisiert wird? Das Buch als solches ist kaum zu kritisieren, weder in seinen moralischen Positionen (die oben zitierte Erziehungstheorie wohl ausgenommen) noch in seiner Kritik der Konsum- und Arbeitsgesellschaft, aber es erscheint perfide all dies zu tun, ohne die Verbrechen eben jener Generation von Männern anzusprechen, welche sich nun über die Jugend echauffieren.
Dieser, der Held und Taucher Hinrichs, ist ein älterer Mann, zu alt um in seinem angestammten, schwierigen Beruf noch Arbeit zu finden, welcher an der neuen ihn umgebenden Welt nicht teilnehmen will, aber noch viel mehr ihren korrumpierenden Einfluss auf die Jugend beklagt, welchen es allen "heute nicht schnell genug [geht], sie wollen nicht lernen, sondern gleich etwas sein und eine menge Geld verdienen." Nein, eigentlich ist es gar nicht klar, ob Hinrichs die Gesellschaft wegen dieses Mißstandes anschuldigt oder ob er ihn nicht vielmehr der Jugend als solcher ankreidet. "[Sie glauben] wer weiß was wert zu sein. Aber wieviel man wert ist, das kann man nicht selbst bestimmen, auch nicht, wenn man ein Motorrad fährt oder ein Radio mit sich herumschleppt oder diese feinen, wattierten Jacketts trägt. Was einer wert ist, das zeigt sich bei anderer Gegebenheit."
Hinrichs, alleinerziehender Vater, ohne daß man weiß, wo seine Frau wäre, einer schwangeren und alleingelassenen Tocher, ist also der tragische, sympathieheischende (und -erhaltende) Held dieser Geschichte, ein konservativer Held ("Die von den Ämtern und der Polizei und der Kirche reißen sich eher ein Bein aus, als daß sie etwas auf diese Burschen kommen lassen. Die glauben immer noch, daß sie mit berufsmäßiger Güte heilen können"), welches Bild noch durch die wiederholte Beschreibung eines Bismarckdenkmales verstärkt wird. Trotzdem ist Hinrichs natürlich ein guter Mann und in seiner Hilflosigkeit und Güte ein Symbol von Größe. Er wird sicherlich nie messbaren Erfolg erringen, aber er wird mit sich selber zufrieden sein können.
Der Mann im Strom ist ein wirklich schönes, nostalgisches Buch. Die einzige Frage, die sich dem heutigen Leser stellt ist nach der Motivation des Autors. Lenz, als Autor der Deutschstunde dürfte kaum der Verherrlichung des Nazismus bezichtigt werden, aber es fällt doch auf in diesem Roman, wie der Hauptdarsteller (und andere Männer seines Alters) die Jugend sowie die moderne Welt von einer moralischen Warte aus kritisieren. Sind dies die nicht die gleichen Männer, die ihre Jugend einem faschistischen, verbrecherischen Regime schenkten? Warum werden bei aller Nostalgie zwar die Kriegsschäden erwähnt, wird Bismarck genannt und auf die direkte Nachkriegszeit eingegangen, ohne daß der Krieg als solcher thematisiert wird? Das Buch als solches ist kaum zu kritisieren, weder in seinen moralischen Positionen (die oben zitierte Erziehungstheorie wohl ausgenommen) noch in seiner Kritik der Konsum- und Arbeitsgesellschaft, aber es erscheint perfide all dies zu tun, ohne die Verbrechen eben jener Generation von Männern anzusprechen, welche sich nun über die Jugend echauffieren.